Tashi delek aus Tibet

Beleuchteter Potala Palast in Lhasa bei Nacht

Tashi delek aus Tibet

7 Tage am Dach der Welt, dem Land der höchsten Berge, endlosen Weiten und buddhistischen Klöster

 

Anfang November erreichten wir aus Kathmandu kommend nach 8-stündiger Jeepfahrt, die eher einer Buckelpiste ähnelte, die nepalesisch-tibetische Grenze. Hier reihten sich Trucks an Trucks, die, gleich wie wir, auf einen Grenzübertritt warteten. „Einmal noch schlafen“ hieß es für uns, denn die Grenze öffnete erst am nächsten Tag um 8 Uhr morgens wieder. So mussten wir die bisher mit Abstand unwirtlichste Nacht unserer Weltreise in einem kleinen Guesthouse an dieser Grenze verbringen. Ganz wohl war uns nicht dabei – weder gab es fließendes Wasser noch irgendein Zeichen von Herzlichkeit oder Gastfreundschaft. Die „Bude“ glich eher einem Stundenhotel – und dies gefühlt am Ende der Welt.

Doch am nächsten Morgen war es soweit – zu Fuß marschierte unsere Gruppe bestehend aus 5 Personen über die Brücke, welche die Grenze darstellte. Von den chinesischen Grenzkontrolleuren wurde unser Gepäck bis aufs kleinste Detail gefilzt, Fotos auf Handy und Laptop wurden durchsucht, die Tibet-Reiseführer konfisziert. Für einen Moment fühlten wir uns wie Verbrecher. Das Herz klopfte. Ja, so wurden wir in Tibet bzw. korrekt gesagt im Autonomen Gebiet Tibet empfangen. Mit dem Schritt über die Grenze mussten wir unsere Uhren 2 Stunden und 15 Minuten vorstellen – vom Frühstück kommend war also plötzlich schon wieder Mittagszeit!

 

Und dann hieß es: 7 Tage in Tibet

 

Tibet verzauberte und verwunderte uns gleichermaßen. Der erste, größte und zum damaligen Zeitpunkt sehr willkommene Unterschied zu Nepal waren die asphaltierten, gut ausgebauten Straßen. Den Jeep tauschten wir gegen einen komfortablen Van. Die Fahrten waren zwar nicht minder lang, aber weitaus weniger „bumpy“ und schaukelig. Dies war einerseits für unseren geplagten Magen eine Wohltat, andererseits aus politisch-wirtschaftlicher Perspektive eine Bestätigung: Chinesen sind die wahren Meister des Straßenbaus.

 

Big brother is watching you

 

Eine neue Erfahrung für uns Weltenbummler war es, einer vorgegebenen Route zu folgen, in einer (Klein-)Gruppe mit Guide zu reisen und uns fremdbestimmt zu fühlen. Für uns zwei freiheitsliebende Abenteurer war dies manches Mal eine Herausforderung und ein Einschnitt, gleichzeitig aber die einzige Möglichkeit, in diese besondere Region zu reisen. So mussten wir uns jedoch auch daran gewöhnen, dass die vorgegebene Route kurzfristig geändert wurde und geplante Programmpunkte gestrichen werden mussten. „You are not allowed“, hieß es mehrmals, als wir fragten, wieso wir z.B. nicht den angekündigten Trek in ein kleines tibetisches Dorf machten oder nicht bis zum Everest Base Camp gehen konnten. Die Erkenntnis: Tibet ist kein Land, in dem man sich als Tourist frei bewegen darf. Die Regierung ändert oft und gerne die Regeln und verfolgt einen über CCTV Kameras auf Schritt und Tritt.

 

UNSERE BEST 4 “EINZIGARTIGKEITEN UND EIGENHEITEN” AUS TIBET

 

Das Dach der Welt, das Land der NATURlichen Superlativen

Nahezu jeder Tag in Tibet war geprägt von überwältigenden Superlativen, die das Land zu bieten hat. So war es uns bereits am zweiten Tag ein großes Vergnügen, Mr. Mount Everest Hallo zu sagen und den Ausblick auf den so majestätischen höchsten Berg der Welt vom Parkplatz unterhalb des Everest Base Camps zu genießen. So anmutig, friedlich und gleichzeitig ungeheim mächtig und massiv stand er vor uns! Unvorstellbar, dass der Qomolangma, wie er auf tibetisch heißt, 8843m hoch ist!

 

Mount Everest vom EBC aus

„Hello Mr. Mt. Everest, nice to meet you!“

 

Ebenso variantenreich ist die tibetische Vegetation, die sich durch die Präsenz aller bedeutenden Ökosysteme auszeichnet, welche ansonsten nur auf ganzen Kontinenten verteilt vorgefunden werden können. In Tibet jedoch gibt es Wälder, Buschzonen, Steppen, Wüsten und unterschiedliche Gewässer. So artenreich ist – laut Biologen – sonst nur der Regenwald im Amazonas!

Tibet ist auch die Heimat der meisten Flüsse und Seen Chinas. So finden sich hier 365 Flüsse und über 1500 Seen, darunter mit dem Nam Tso der höchstgelegene See der Welt ebenso wie der Yamdrok, der weltweit größte Süßwassersee. Nur zum Schwimmen laden diese Seen trotz glasklaren Farben durch die geringen Temperaturen wohl eher doch nicht ein…

 

Türkisblauer Stausee mit tibetischen Gebetsfahnen

Blick auf einen türkisblauen tibetischen Stausee

 

Wer nicht fragt, der nicht erfährt

Bis zu 12 Stunden saßen wir pro Tag im Fahrzeug, um die endlosen Weiten des Landes zu durchfahren, uns Tag für Tag, aus Westen kommend, Lhasa, unserer Zieldestination und dem Highlight der Reise, anzunähern. Die vorbeiziehende, meist karge und dennoch so beeindruckende und abwechslungsreiche Landschaft war in diesen Tagen unsere Art des Fernsehens. Doch ebenso stellten sich diese Zeiten als gute Gelegenheit dar, um unserem Guide einige Fragen zu stellen, und mehr über Land und Leute zu erfahren.

 

Gespräch mit tibetischem Guide

Im Gespräch mit unserem tibetischen Guide Kunshok

 

So erfuhren wir (zu meinem Erschrecken), dass Frauen auch heutzutage in der buddhistischen Ideologie ein schlechtes Karma hätten, als schwach und labil gelten und nur durch die Geburt eines Sohnes ihre Stellung verbessern könnten.

Täglich sahen wir unzählige Mönche jeden Alters in ihre schönen roten Roben gehüllt. Sie waren ebenso wie das gesamte Land hin- und hergerissen zwischen alten Traditionen und modernem Zeitalter. So beobachteten wir selbst während der gemeinsamen Gebetsstunden die Mönche beim unermüdlichen, eifrigen Tippen auf ihrem Handy und Versenden von WeChat (die chinesische Variante von WhatsApp) Nachrichten. Auch Mönche gehen also mit der Zeit. Doch: sogar heutzutage waschen die Mönche ihre Roben tatsächlich noch selbst mit Hand!

 

Porträt eines jungen tibetischen Mönchs

Junger Mönch im Sera Kloster

 

Aufnahme der debattierenden Mönche im Sera Kloster bei Lhasa

Debattierende Mönche im Sera Kloster – weil jedes Argument zählt!

 

Alles in Butter

Den Duft der tibetischen butterlamps habe ich noch heute in der Nase, wenn ich an all die Klosterbesuche denke. Wir amüsierten uns köstlichst über all die KlosterbesucherInnen, die aus ihren großen, mit Butter gefüllten Plastikgefäßen die Kerzenschalen mit einem Klecks Butter bereicherten oder aus ihren Thermoskannen flüssige Butter in die Kerzenschalen gossen. Ich fragte mich, ob dies die gleiche Butter sei, die auch zum Kochen verwendet werde. Denn der tibetische Yakbuttertee gilt als Nationalgetränk, das nährhaft, wärmend und für die TibeterInnen äußerst wohlschmeckend ist. Ebenso wird Butter praktischerweise als natürlicher Sonnenschutz genutzt und glänzt schmierig im gegerbten Gesicht der TibeterInnen.

Zumindest was diesen Aspekt angeht, scheint hier „alles in Butter“ zu sein.

 

Marktstand mit Yakbutter

Yakbutter an einem Marktstand in Lhasa

 

Teahouse mit Flaschen voller Yakbuttertea

Thermoskannen gefüllt mit Yakbuttertee, dem tibetischen Nationalgetränk

 

Tibetischer süßer Tee in einem Teehaus

Ich wärmte mich lieber an einem sweet tea (Schwarztee mit Milch)

 

Om mani padme hum

Dieses „Juwelen-Lotus“-Mantra ist im tibetischen Buddhismus Ausdruck der grundlegenden Haltung des Mitgefühls. Aus dem Rezitieren dessen formuliert sich der Wunsch nach Befreiung aller Lebewesen aus dem Kreislauf der Wiedergeburten, was der Aufnahme ins Nirvana gleichkommt. Dass Nirvana nicht gleichzusetzen ist mit der christlichen Vorstellung des Paradieses, lernten wir ebenso wie die Feststellung, dass der Buddhismus weitaus komplexer und vielfältiger ist als die in der westlichen Welt beliebten Meditationen und Achtsamkeitsübungen.

 

Ronbuk Monastery nahe EBC

Das Rongbuk Kloster auf 4980m gilt als höchstes Kloster der Welt; im Hintergrund thront der Mount Everest

 

Rote Schuhe der Mönche

„Schuhsalat“ der tibetischen Mönche im Tashilhunpo Kloster

 

Der Potala Palast – das beeindruckendste Gebäude der Welt

 

Es war ein Kindheitstraum von mir, einmal nach Tibet zu reisen (ja, ich gebe zu, Brad Pitt und dem Film „Sieben Jahre in Tibet“ sei Dank) und auf den Spuren von Heinrich Harrer durch Lhasa zu schlendern. Und nun, mit knapp 30 Jahren ging dieser Traum in Erfüllung! An Tag 4 unserer Tibet-Reise waren wir tatsächlich in Lhasa angekommen und sahen den Potala-Palast aus nächster Nähe. Aus jeder Perspektive, bei jeder Tag- oder Nachtzeit, ist dieser Anblick überwältigend!

Wir durften uns glücklich schätzen und dieses Gebäude auch von innen betrachten, hoch hinauf über die vielen Stufen steigen, in die heiligen Räume eintreten. Es gehen Gerüchte um, dass diese Besuche in naher Zukunft verboten werden. Unsere Erinnerungen bleiben für immer unvergesslich – umso mehr, da Fotografieren in den Innenräumen verboten war!

Besonders eindrücklich fanden wir die strahlend weiße Farbe des Palastes. Umso unglaublicher die Erklärung dafür von unserem Guide: Der gesamte Palast, der eine Länge von 360m misst, bekommt einmal im Jahr einen neuen Anstrich – wenn sich mehrere hunderte TibeterInnen freiwillig auf den Weg nach Lhasa machen, um ihre Zeit und Energie im Dienste des Glaubens (und des Staates) zu opfern und den Potala Palast wieder erstrahlen zu lassen. Der ewig blaue Himmel und Sonnenschein tragen natürlich ihren Teil zu diesem Glanz bei…

 

Bekanntschaft mit tibetischem Ehepaar im Potala Palast

Bekanntschaft mit einem tibetischen Ehepaar im Potala Palast

 

Und dann hieß es schon wieder Abschied nehmen von diesem besonderen, einmaligen Fleckchen Erde – wie hätten wir dies passender abschließen können, als abends noch einmal zum Potala Palast zu spazieren? Wir standen einfach nur da und bewunderten den beleuchteten, über der Stadt thronenden und sich im See spiegelnden Palast.

Dankbar für diesen Anblick, für den Moment, für die Entscheidung, Tibet in unsere Reiseroute eingebaut zu haben…

 

Beleuchteter Potala Palast in Lhasa bei Nacht

Potala Palast bei Nacht

 

48 Stunden im Zug – einmal quer durch China

Wie es am nächsten Tag weiterging? Wir machten uns auf den Weg auf eine Art Zeitreise: mit dem Zug von Lhasa quer durch China bis nach Shanghai. 48 Stunden im hard sleeper Abteil, das wir uns zu sechst teilten. Überrascht über die unerwartet komfortablen Betten und die gekonnte Raumnutzung (3 Betten übereinander und keinerlei Beklemmungsängste). Die Zeit verging schneller als gedacht durch die Gesellschaft von netten chinesischen jungen Männern, die zwar kein Englisch sprachen, aber wir erfolgreich via Übersetzungs-Apps kommunizierten. So fuhren wir also von West nach Ost, von einem so abgelegenen, teilweise rückständigen Ort der Welt innerhalb von 48 Stunden im Zug in die Metropole Shanghai, wo Kommerz und Modernität auf uns einprasselten…

 

48 Stunden im Zug von Lhasa nach Shanghai

48-Stunden Zugfahrt mit unseren neuen chinesischen Freunden

 

…über unsere Tage „Asian big city life“ gibt es im nächsten Beitrag mehr zu lesen…

 



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